Home Sweet Home
„Home Sweet Home“ so lautet der Titel der Installation
von Josefh Delleg. Der Titel ist angefüllt mit Visionen von
Familie und Geborgenheit, in dem Zufriedenheit und
Beständigkeit mitschwingen. Nichts von alledem hatte
der Künstler Josefh Delleg im Sinn, als er diese Arbeit
schuf. Der Titel spielt vielmehr auf die Homelands in
Südafrika an. Zwischen 1960 und 1980 mussten etwa 3,4
Millionen Menschen im Zuge der Homeland-Politik ihre
bisherigen Wohnstätten an den Rändern der Stadt und auf
dem Land verlassen und wurden zwangsumgesiedelt. Bei
Nacht, ohne Vorankündigung und mit Gewalt wurden sie
aus den Townships geholt, während ihre alten Hütten
währenddessen abgerissen wurden. In den neuen Siedlungen
erwarteten die Menschen wieder Häuser aus Wellblech
und Dachsparren, ohne fließendes Wasser und Elektrizität.
Das Leben in den Homelands war meist von
Armut geprägt, denn es gab weder Industrie, noch Landwirtschaft.
Die Politik der Homelands sollte vordergründig identitätsstiftend
wirken und versprach politische Autonomie. In
Wirklichkeit festigte sie die Rassentrennung, beförderte
Korruption und Vetternwirtschaft. Die Verteilung auf die
Homelands verhinderte ein einheitliches und organisiertes
Vorgehen der schwarzen Ethnie, die sukzessive ihre
Bürgerrechte verloren. 1985 lebten zwei Drittel der
Schwarzen in den Homelands, deren Fläche zusammengenommen
nur 12% des Staatslandes umfassten. Erst
1994, nach dem Ende des Apartheidregimes wurden die
Homelands wieder in das Land integriert.
Josefh Delleg sucht in seiner Arbeit die übergeordneten
Strukturen und lotet mit künstlerischen Mitteln die Verbindungen
zwischen den Menschen, der Administration,
Segregation und künstlicher Raumordnung aus, die jenseits
des konkreten historischen Ereignisses liegen.
Eine zwölfteilige, 4,50 m x 2,50 m große Arbeit an der
Wand thematisiert die Organisation einer Siedlung auf einer
alles bedeckenden schwarz-weißen Camouflage. Auf
ihr sind in der Vogelperspektive mit wenigen Strichen
einfache weiße Häuser gezeichnet, die wie in einer Vorortsiedlung
aneinandergereiht sind. Die darunter sichtbare
Camouflage zeigt knappe Wege und Straßenkreuzungen,
die die einzelnen Häuser voneinander trennen. Ihre Aufstellung
verläuft in diagonalen Linien von links oben nach
rechts unten. Wie die Camouflage überziehen die Häuser
die Arbeit wie ein All-Over-Print. Es sind einfache, mit
Kohle skizzierte Häuser, ohne Fenster und Türen und mit
einem Spitzdach. Ihre konische Form verleiht den schwerelosen
Formen trotzdem etwas Trutzhaftes und Unbeugsames.
Die endlose Wiederkehr desselben, in Reihung
und Form sind typische künstlerische Mittel für die Arbeiten
von Josefh Delleg. Erst die Assoziationen machen
ihre Vielgestalt sichtbar.
Die Camouflage tarnt jede genaue territoriale Zuordnung
und macht das Land austauschbar. Ihr Schwarz- Weiß dagegen
bindet die Idee der Segregation wieder an sich und
da es die allgemeine Vereinfachung ebenso thematisiert,
kommt eine weitere Facette hinzu. Als militärische Tarnung
bringt die Camouflage Krieg und Gewalt in den
Kopf des Betrachters. Beides findet seine Fortsetzung in
der Reihung, die an Truppenkontingente erinnert; lassen
Disziplin, Gehorsam und Unterordnung empor treten, in
der das Individuum keine Stimme hat. Die weißen Häuser
bringen die Buren wieder in den Blick und durch ihre
Vielzahl kehrt die Mehrheit der schwarzen Bevölkerung
zurück, die verschleppt wurde. In deren konischer Form
klingt der Widerstand an, mit dem sich Schwarz und
Weiß begegneten. Wenn der Blick erst die Ähnlichkeit zu
den Flüchtlingslagern erkannt hat, wird die Siedlung zu einem
Ort der Sicherheit und organisierten Hilfe.
Davor liegt ein Teppich aus ca. 350 weißen Schädeln, die
aus Wachs gegossen wurden. Die Reihen dieser Schädel
wird nur an einer Stelle durch ein Haus unterbrochen. Auf
einem Quadratmeter steht eine dreidimensionale Version
der gezeichneten Häuser. Es besteht aus Dachlatten, die
mit Schraubzwingen gehalten werden und auf denen
Leuchtstoffröhren angebracht wurden, die ihr kühles, weißes
Licht in den Raum geben. Das Provisorium lässt den
Bau zwar anfällig erscheinen, aber ausladenden Schraubzwingen
wirken auch kämpferisch-aggressiv. Das Haus
trotzt dem Fragilen die Belastbarkeit ab und kann inmitten
dieser Schädel der Vergänglichkeit standhalten. Durch
das Bauskelett hindurch zeigt sich ein Rasenstück mit
Blumen. Der Tod umschließt das Leben und lässt trotzdem
den Traum vom friedvollen, einzigartigen Leben zu.
Home Sweet Home.
Pia Kranz
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Josefh Delleg
* in Reischach, Bruneck (Italien),
lebt und arbeitet in Kassel und Göttingen