Salon Salder


Die Welt ist nicht zu schildern, alles ist nur Fragment

Die künstlerischen Wurzeln des Hannoveraner Malers Frank Rosenthal liegen in der abstrakten Malerei. „Die Welt ist nicht zu schildern, alles ist nur Fragment“. Diese Sicht auf das Vermögen, bzw. Unvermögen der Naturnachahmung durch die Malerei, gepaart mit einem großen Vergnügen am malerischen Schaffen, ließen ihn die Tiefen der Abstraktion von Farbe, Fläche und Form ausloten. Die Auseinandersetzung mit dem Erbe der abstrakten Kunst in Bezug auf sein eigenes künstlerisches Wollen, wurde zu Rosenthals Projekt und hat ihn in allen Etappen seines Werdegangs zu einer ganz eigenen Formsprache geführt. Rosenthal schätzt die Vielfalt der Farbe, freut sich an ihrem dynamischen Gleiten auf der Leinwand und sorgt dafür, dass keine Hindernisse diesen Fluss stoppen oder einschränken können. Der Malgrund stellt eine neutrale Ebene dar, die alles oder nichts sein kann. Die Leinwand soll keine stark aufsaugende Oberfläche haben und möglichst wenig eigene Struktur mitbringen, damit die Farbe ungehindert, dem Tempo des Malauftrags gehorchend, frei fließen kann. Jede Leinwand bekommt einen anderen Grundton: mal warmtoniger und dann wieder heller und kühler. Dieser neutrale Grund ist für den Künstler eine Art Laborfläche. Ausgehend von ersten Entwürfen auf Papier, schafft er mit Klebebändern erste Versuchsanordnungen für seine neuen Arbeiten. Die Klebebänder hängen in seinem Atelier wie Notizzettel an der Wand: winzige Schnipsel neben langen Farbbahnen, in unzähligen Farben, mit unterschiedlichen Längen und Breiten. An und mit ihnen analysiert der Künstler den Farbauftrag, Pinselstrich und die Komposition, die das Gleichgewicht zwischen all diesen ungleichen malerischen und formalen Fragmenten herstellen soll.

Rosenthals abstrakte Malerei erzählt von Farbe und Form. Der Maler sucht auf der Leinwand das Gleichgewicht zwischen Flächen, Linien und geometrischen Formen, ohne bewusst eine perspektivische Raumillusion oder Architektur erzeugen zu wollen. Ist das Gleichgewicht erst einmal auf der Leinwand hergestellt, bedeutet es allerdings nicht, dass auf dem Bildträger eine klare, konstruktivistische Ordnung herrschen würde. Auf den ersten Blick fühlt man sich an alte Pläne aus dem Katasteramt erinnert, wobei Rosenthals Bilder nicht die Flächen artikulieren, sondern die Wege. Es sind quasi Farbschienen, die auf der Leinwand spitzwinklige oder stumpfe Dreiecke hervorbringen und sie wieder unverhofft brechen, sowie Farbwege, die trapezförmige Flächen konturieren und Rechtecke kippen lassen. Rosenthals kantige Bildkonstruktionen bieten dem Betrachter den Anblick eines vielfältigen Aufeinanderstoßens und Überschneidens von Farbstrecken, die nur ihre eigene Balance zum Ziel haben und nirgendwo hinführen. Manchmal lassen sich tatsächlich Raumgebilde erahnen, aber der Eindruck hält sich nicht lange, denn die Konstruktion bleibt flächig, bleibt mehr Gewebe, denn Architektur.

In einigen seiner neueren Bilder nimmt Rosenthal auch wieder das Thema der Rahmung auf, das ihn bereits in früheren Werkphasen beschäftigt hat. Die Leinwandgrenzen bleiben nicht mehr offene, ungestaltete Fläche, sondern werden zu klar artikulierten äußeren Grenzen. Die Rahmung ist zwar in sich vielgestaltig wie die Binnengliederung, gibt aber dennoch einen Halt vor, von dem die inneren Farbspuren partizipieren, da sie jetzt größere Flächen umreißen können und der Aufbau klarer ist. In den anderen Arbeiten müssen die Begrenzungen mehr um ihr Gleichgewicht kämpfen. Die geraden Farbwege mit ihren unterschiedlichen Breiten, Längen und auch Formen werden auf ihrer Suche nach Halt und Balance oft gestört. Rosenthal legt manche in schmalen Spuren nebeneinander oder schichtet sie partiell übereinander, manche werden in sich gestückelt und bilden keine durchgezogene Linie mehr oder zeigen brüchige Kanten und Ausfaserungen, die die geschlossenen Formen zum Bildgrund hin öffnen und mit ihrem sichtbaren Pinselduktus immer wieder auf die Malerei an sich verweisen. Dazwischen geben klare, opake Farbgrenzen der fragilen Gesamtstruktur immer wieder Halt. Die an sich funktionalen Flächenbegrenzungen bekommen durch ihr Erscheinungsbild einen ambivalenten Charakter: Die vielfältige malerische Artikulation macht die formgebende Grenze auch zur fragmentierten Farbfläche. Die Reflexion des Malers über das Material, sein Bestreben, die feinsten Abstufungen innerhalb eines Grundtones auszuloten, dem Duktus Raum zu geben und seine Behandlung von Form und Balance, führen dazu, dass die Bildlichkeit selbst zum Thema des Kunstwerkes wird. Farbe und Form finden durch Rosenthals künstlerisches Konzept den Weg zur eigenen spannungsreichen Selbstdarstellung.

Pia Kranz

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Frank Rosenthal
geboren 1957 in Hannover,
lebt und arbeitet in Hannover