Salon Salder


Über Differenz und Ähnlichkeit
Zum Werk von Volker Blumkowski

Die Bilder von Volker Blumkowski wirken auf den ersten Blick so Augen täuschend realistisch, als wolle er mit ihnen an einen der in der Antike so beliebten Malwettstreite teilnehmen. In diesen gewann das Bild den ersten Preis, das die Wirklichkeit möglichst getreu wiedergab. Berühmt geworden ist die Konkurrenz zwischen Zeuxis und Parrhasius (beide lebten um 400 v. Chr. in Athen), von der Plinius der Ältere (ca. 23 – 79 n. Chr.) berichtet. Zeuxis hatte auf seinem Bild die Trauben so naturalistisch gemalt, dass die Vögel vom Himmels herab stürzten, um sie von der Leinwand zu picken. Daraufhin zeigte Parrhasius seinem Rivalen ein Gemälde mit einem Vorhang. Als Zeuxis ungeduldig darum bat, den Vorhang doch endlich beiseite zu schieben, um das Gemälde begutachten zu können, triumphierte Parrhasius. Sein Bild hatte sogar das Auge seines Konkurrenten getäuscht. Denn der Vorhang, den es zeigte, war gemalt.

Auch wenn Blumkowskis Bilder wirklichkeitsgetreu erscheinen, geht sein Ehrgeiz keineswegs auf die Produktion einer Malerei des Trompe-l´œil. Dafür sind seine Perspektiven auch zu konstruiert, seine Farben zu künstlich und seine Bildszenen zu ausgedacht. In solcher Ambivalenz erinnert die Malerei von Volker Blumkowski an den schönen Satz seines kanadischen Künstlerkollegen Alex Colville (geb. 1920): „As a good realist I have to invent everything.“ Als guter Realist muss ich alles erfinden. Und genau das tut Blumkowski in seinen Bildern. Schauen wir auf das Gemälde „Die Entdeckung“ aus dem Jahr 2003. Wie so oft in seinem Werk sehen wir Menschen bei der Arbeit. Drei Handwerker stehen auf Leitern und arbeiten an der Decke einer Wohnung. Ihre Körper sind nur bis zu den Hüften zu sehen. Der Rest von ihnen steckt in der partiell geöffneten Decke, was bei allem Realismus einen skurrilen und surrealen Eindruck macht. Um von den verschieden farbigen Fäden und Leitungen, die sich durch das Bild ziehen, gar nicht erst zu sprechen. Sie bedecken das Gemälde eher mit einer ornamentalen Struktur, als dass ihr Vorhandensein einem erkennbar pragmatischen Zwecke folgen würde. Auch wenn die blauen, roten und schwarzen Fäden in dem Werk am rechten Bildrand zu einer Verteilerdose führen, sind sie doch eher Linien als Leitungen, sie sind stärker malerische Referenz als Sujet.

Ein ähnliches Oszillieren zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit, Form und Inhalt findet sich in „Bonjour messieurs (Les élagueurs II)“ aus demselben Jahr. Drei Arbeiter hängen, durch blaue Schnüre gesichert, in der Krone eines Baumes, den sie beschneiden. Auch in diesem Bild ist die Farbigkeit wie schon in „Die Entdeckung“ zart moduliert und bleibt, musikalisch gesprochen, in derselben Tonart. Das Geschehen des Gemäldes unterwirft Blumkowski indes verschiedenen Brüchen. Auf der Ebene der Erzählung verbindet er disparate Situationen. Die Baumbeschneidung im oberen verknüpft er mit dem Auftauchen einer Zeichenmappe im unteren Bildteil. Versteht man das metonymisch, rückt er mit ihnen Kunst und Leben ins Bild und thematisiert in diskreter Weise unterschiedliche Existenzweisen. Auf der Ebene der Form alliiert er eine abstrakte und gegenständliche Malsprache. Erstere zeigt sich vor allem in der Ausgestaltung des Bildhintergrundes und in dem ornamentalen Cover der gelbschwarzen Zeichenmappe.

“Zwei segelnde Schiffe“ (2010) ironisiert als Bild im Bild nicht nur gestalterische Oppositionen, sondern auch den Widerspruch zwischen Traum und Wirklichkeit. Im Zentrum des Bildes sehen wir ein unvollendetes Mosaik, an dem - einmal mehr - ein Arbeiter auf einer Leiter tätig ist. Es zeigt in abstrahierter Manier ein Segelschiff in voller Fahrt durch die Wellen eines Meeres pflügen. Hoch aufgerichtet und in leuchtenden, sonnensatten Farben steht es am Ufer eines dunklen Meeres. Seine grauen Steine im Bildvordergrund wirken als Repoussoir und ziehen den Blick des Betrachters in den weiten Raum des gleichfalls grauen Meeres und Himmels. Am unteren rechten Bildrand tauchen auf den grauen Wellen die farbigen Segel eines Bootes auf, das aussieht, als wolle es in der nächsten Sekunde dem Boot auf dem Mosaik folgen. In Wahrheit aber stellt Volker Blumkowski mit seinen beiden unterschiedlichen Schiffen zwei Weisen der künstlerischen Weltwahrnehmung gegen- und nebeneinander. Damit schärft er das Bewusstsein des Betrachters für Differenz und Ähnlichkeit. Und entkräftet die Vorbehalte Platons gegenüber den Malern. Der traute weder Zeuxis noch Parrhasios, weil sie in ihrer Kunst Mimesis betrieben statt Wahrheitssuche wie der Philosoph.

Michael Stoeber

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Volker Blumkowski
geboren 1956 in Salzgitter
lebt und arbeitet in Stuttgart und Paris