Salon Salder


Die Kunst der Anspielung
Zum Werk von Lars Eckert

Lars Eckert ist ein Maler, der nicht nur Augen hat für die äußere, sondern ebenso für die innere Welt. Er malt nicht nur, was er sieht, sondern ebenso das, was er sich ausdenkt, träumt und imaginiert. Er ist zugleich ein Chronist des Zeitgeschehens und ein Romancier seiner Vorstellungen. Er zieht, wie man in literarischer Diktion sagen würde, in seiner Malerei zwei unterschiedliche Textsorten zusammen. Die Mischung von Fakten und Fiktionen in seinen Gemälden macht, dass sie sich auf der Netzhaut des Betrachters ausbreiten und Nachbilder produzieren. Nicht im optischen, sondern im semantischen Sinn. Alles Geschehen liegt auf Eckerts Gemälden scheinbar klar zu Tage. Es erstrahlt in schöner und übersichtlicher Gegenständlichkeit und bleibt doch dunkel und verworren. Was banal und alltäglich aussieht, erscheint auf den zweiten Blick außergewöhnlich und rätselhaft, mitunter gar unwirklich und unlogisch. Eckerts Bilder stellen, sobald man nur länger als einen Wimpernschlag bei ihnen verharrt, im Kleid ihrer offensichtlichen Ereignis- und Bedeutungslosigkeit mehr Fragen zu dem, was sie zeigen, als dass sie uns Antworten darauf geben.

Die Ambivalenz seiner Malerei macht schon ihr erster Eindruck deutlich. Der Betrachter fragt sich nach den Anteilen von Fotografie in ihr. In diese Richtung lenkt ihn der starke helldunkle Kontrast der Bilder, die an überbelichtete Aufnahmen denken lassen. Aber natürlich auch die gegenständliche Malsprache, die Eckert bis ins Detail souverän meistert. Und nicht zuletzt die Sujets seiner Bilder, die oft genug Motive aufrufen, die man aus Zeitschriften, Tageszeitungen, Film und Fernsehen kennt. Das bringt uns zu den Quellen und Anregungen für seine Gemälde. Eckert sammelt fremde Fotos, die ihm gefallen, nimmt aber auch selbst Bilder mit der Kamera auf. Er scannt sie ein und bearbeitet sie am Computer, wobei er unterschiedliche Bilder in eines montiert. In diese Montagen wandert der gestalterische Wille des Künstlers. Hier bringt er seine Fantasien mit den Fakten des gefundenen Materials in Einklang, wobei im äußerst subtil gesetzten, heterogenen Neben- und Miteinander der Motive diskret Irritationen siedeln.

In all seinen Gemälden praktiziert Eckert eine dünnflüssige, lasierende Ölmalerei, die vom Hellen ins Dunkle arbeitet. Erst in einem bestimmten Abstand zum Bild organisieren sich die zum Teil an Aquarellmalerei erinnernden Flecken seiner Bilder zur gegenständlichen Aussage. Aber was heißt schon Aussage? Wie auf der Ebene der Form liebt diese Malerei auch auf der Ebene des Inhalts die Kunst der Anspielung. Es ist, als habe Lars Eckert die Empfehlung von Leonardo da Vinci (1452 – 1519) beherzigt, die er in seinem Buch über die Malerei Künstlerkollegen gibt. Sie sollten, so der Renaissancemaler, ihre Bilder nicht zu perfekt machen. Sollten der Fantasie des Betrachters Raum lassen. Dieses non finito, dieses nicht zu Ende Malen des Bildes, praktiziert Eckert vor allem dort, wo die Grundierung der Leinwand zum Teil seiner Komposition wird.

Raum für die Fantasie des Betrachters lassen aber auch seine Bilderzählungen, die nie abgeschlossen sind, sondern immer eine offene Dimension haben. Was für einen Unfall hatte wohl das Flugzeug in „Trip“ (2012), sodass sein Motor mit dem Propeller so akkurat neben seinem Korpus ohne seitliche Tragflächen liegt? Und was lässt die Familie daneben so friedlich frühstücken, als handele es sich um eine arkadische Szene wie in Éduard Manets (1832 – 1883) „Déjeuner sur l´herbe“? Der inhaltliche Gegensatz wiederholt sich auf der Ebene der Farbe. Einerseits kalte, graublaue Kolorite, andererseits warme, dunkle Töne, wobei sich Bildhintergrund und Vordergrund gleichmäßig in sie teilen. Oder das rätselhafte Personal in „Fish and Chips“ (2010). Selten hat man Menschen so eng nebeneinander und zugleich so weit weg voneinander gesehen. Und auch hier beobachten wir wieder die gekonnte Opposition von Andeutung und Ausmalung. Den Charakter eines surrealen Vexierspiels erreicht die Malerei in Eckerts „Kleinod“ (2012). Der Titel ließe sich ironisch auf das versteckte Gartenhaus beziehen oder auf den kaum sichtbaren Gartenzwerg im Vordergrund. Aber auch auf die Fantasmagorie, die in den Sträuchern und Bäumen am linken Bildrand den Umriss eines Menschen erkennt oder im Vordergrund ein menschliches Gesicht im Bild des Rasens. So wie in Michelangelo Antonionis (1912 – 2007) Film „Blow Up“ der fotografierte Mord sich in der Vergrößerung in abstrakte Flecken auflöst, schauen die Gegenstände bei Lars Eckert umso ferner zurück, je näher man sie ansieht.

Michael Stoeber

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Lars Eckert
geboren 1958 in Braunschweig
lebt und arbeitet in Braunschweig